Wie funktioniert ein Konsignationslager?
Ein Konsignationslager ist ein spezielles Lagerkonzept, bei dem Waren von einem Lieferanten in einem Lager des Kunden oder an einem vereinbarten Standort in der Nähe des Kunden gelagert werden, ohne dass der Kunde die Ware sofort kaufen muss. Erst bei der Entnahme der Waren geht das Eigentum an den Kunden über, und die Abrechnung erfolgt entsprechend. Der Lieferant bleibt bis dahin Eigentümer der Ware und trägt somit auch das Risiko.
Bevor ein Konsignationslager eingerichtet werden kann, sind zunächst einige Planungsschritte erforderlich.
1. Auswahl der geeigneten Waren oder Teile
Zunächst müssen jene Produkte identifiziert werden, bei denen eine Lagerung im Konsignationslager sinnvoll ist. Dazu zählen häufig benötigte Teile ebenso wie besonders teure Komponenten mit schwankendem Bedarf. Letzteres macht Sinn, da das Risiko des Wertverfalls beim Lieferanten liegt.
2. Überprüfung der Infrastruktur
Im nächsten Schritt wird geprüft, ob die benötigte Infrastruktur vorhanden ist – etwa ausreichender Lagerplatz oder eine leistungsfähige IT-Landschaft.
3. Gespräche mit Lieferanten
Gespräche mit potentiellen Lieferanten helfen dabei, zentrale Rahmenbedingungen, wie die Bestandsmenge, Preise und gegenseitige Verpflichtungen, abzuklären. Anhand dieser Daten kann das Unternehmen die am besten passende Partnerschaft mit einem Lieferanten wählen.
4. Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse
Vor der Entscheidung für ein Konsignationslager sollte eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt werden. Denn zwar entfallen für das Unternehmen mit dem Konsignationslager in der Regel Lagerkosten sowie Kosten für Qualitätssicherung und Bestandsmanagement, dem gegenüber stehen jedoch oft höhere Stückkosten und lange Vertragsbindungen.
Nur dann, wenn der Nutzen klar überwiegt, lohnt sich der nächste Schritt. Falls nicht, sollten stattdessen alternative Lagerformen geprüft werden.
5. Vertragsverhandlungen mit dem Lieferanten
Gemeinsam mit dem ausgewählten Lieferanten werden nun auf Basis von Vergangenheitswerten Melde- und Höchstbestände je Artikel festgelegt. Dabei kann von den Erfahrungen des Lieferanten profitiert werden. Fehler in diesem Bereich können später zu Versorgungsengpässen führen, weshalb hier besonders genau vorgegangen werden sollte.
Zudem müssen Art und Regelmässigkeit der Lieferungen ins Konsignationslager festgelegt werden. Auch über die zu verwendenden Verpackungseinheiten muss sich geeinigt werden, da dieser Aspekt Einfluss auf die Lagerqualität und den Schutz der Waren haben kann.
Schliesslich werden Preise, der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, Rechnungsstellung, Rücknahmebedingungen und Regelungen im Falle von Mängeln vertraglich festgehalten.
Erst dann kann der Konsignationslagervertrag von beiden Seiten unterzeichnet werden.
6. Einrichtung des Lagersystems
Im letzten Schritt wird das Konsignationslager vorbereitet und eingerichtet – entweder durch die Anbindung an das bestehende System des Kunden oder durch eine Integration des Lagersystems des Lieferanten. Dadurch wird die technische Basis für eine reibungslose Lagerung und Verwaltung der Konsignationsware geschaffen.
Wurden diese Vorbereitungsschritte abgeschlossen, kann das Konsignationslager in Betrieb genommen werden. Der Ablauf gestaltet sich in der Regel wie folgt.
1. Einlagerung durch den Lieferanten
- Der Lieferant stellt Waren oder (Ersatz-)Teile in einem Lager direkt auf dem Gelände des Kunden oder in unmittelbarer Nähe zum Produktionsstandort bereit.
- Die gelagerte Ware bleibt bis zur Entnahme Eigentum des Lieferanten.
2. Entnahme durch den Kunden
- Der Kunde entnimmt nach Bedarf Waren aus dem Konsignationslager.
- Die Warenentnahme wird physisch mittels Entnahmebeleg oder elektronisch, beispielsweise per Scan, dokumentiert und an den Lieferanten gemeldet.
- In diesem Moment geht die Ware in der Regel in das Eigentum des Kunden über und ein Kaufvertrag entsteht. Wurde ein Eigentumsvorbehalt vereinbart, erfolgt der Eigentumsübergang jedoch erst mit vollständiger Bezahlung der Ware.
3. Abrechnung & Neubestückung
- Die Abrechnung erfolgt entweder periodisch (z. B. monatlich) oder gemäss individuellen Vereinbarungen. Der Kunde erhält eine (Sammel-)Rechnung über sämtliche getätigte Entnahmen.
- Der Lieferant sorgt für eine rechtzeitige Nachbefüllung der Waren oder Teile.
- Dieser Prozess erfolgt häufig elektronisch bzw. softwaregestützt: Entnahmen werden automatisch erfasst und die Nachbestückung wird automatisch ausgelöst, sobald der festgelegte Meldebestand unterschritten wurde.
Beispiel: Die Müller Maschinenbau AG, ein Hersteller von Industriemaschinen, benötigt regelmässig hochwertige Schrauben und Metallteile für die Produktion. Um Lieferengpässe zu vermeiden und die Lagerhaltungskosten gering zu halten, nutzt das Unternehmen ein Konsignationslager in Zusammenarbeit mit der Schrauben & Metall GmbH.
1. Einrichtung des Konsignationslagers:
Die Schrauben & Metall GmbH richtet in der Produktionshalle der Müller Maschinenbau AG ein eigenes kleines Lager ein. Dort werden regelmässig verschiedene Schrauben, Muttern und Metallteile aufgefüllt. Die Ware bleibt im Eigentum der Schrauben & Metall GmbH, solange sie nicht entnommen wird.
2. Entnahme nach Bedarf:
Die Produktionsmitarbeiter der Müller Maschinenbau AG entnehmen täglich die benötigten Schrauben direkt aus dem Konsignationslager. Sie müssen keine Bestellung aufgeben, da das Lager immer ausreichend bestückt ist. Jede Entnahme wird digital erfasst.
3. Eigentumsübergang und Abrechnung:
Am Monatsende wird automatisch ausgewertet, welche Mengen entnommen wurden. Nur diese Mengen werden von der Schrauben & Metall GmbH in Rechnung gestellt. Die übrigen, ungenutzten Teile bleiben weiterhin Eigentum des Lieferanten.
4. Nachschub und Bestandskontrolle:
Die Schrauben & Metall GmbH überwacht den Bestand regelmässig und füllt das Lager auf, sobald ein bestimmter Mindestbestand unterschritten wird. Dadurch ist sichergestellt, dass die Müller Maschinenbau AG stets über genügend Schrauben verfügt, ohne sich um Bestellungen oder Lagerverwaltung kümmern zu müssen.
Dieses Vorgehen bringt Vorteile für beide Seiten:
Müller Maschinenbau AG:
- Keine Kapitalbindung für ungenutzte Schrauben und Metallteile.
- Permanente Verfügbarkeit der benötigten Teile.
- Weniger Verwaltungsaufwand für Bestellungen.
Schrauben & Metall GmbH:
- Engere Kundenbindung durch zuverlässige Versorgung.
- Planbare Lieferungen, da Verbrauchsdaten in Echtzeit vorliegen.
- Wettbewerbsstärke durch kundenorientierten Service und lange Vertragslaufzeiten.
Das Konsignationslager hilft daher beiden Unternehmen, effizienter zu arbeiten und Kosten zu sparen.
Welche Vorteile hat ein Konsignationslager?
Ein Konsignationslager bringt sowohl für den Abnehmer als auch den Lieferanten einige entscheidende Vorteile.
Vorteile für den Abnehmer (Kunde):
- Keine Lagerkosten: Keine Investitionskosten für ein eigenes Lager, keine eigenen Lagerhaltungskosten sowie ein viel geringerer administrativer Aufwand bedeuten eine starke Kostenersparnis für den Kunden.
- Geringere Kapitalbindung: Ware wird erst bei Entnahme bezahlt, wodurch nicht in Vorleistung gegangen wird. Dies schont die Liquidität.
- Sofortige Verfügbarkeit: Benötigte Materialien sind direkt vor Ort verfügbar, wodurch Lieferzeiten entfallen. Diese Schnelligkeit ist vor allem dann von entscheidendem Vorteil, wenn Lieferant und Kunde sich in verschiedenen Ländern befinden.
- Reduziertes Lagerrisiko: Der Lieferant trägt das Risiko für Verderb, Schwund oder Überbestände.
- Geringerer administrativer Aufwand: Bestandsmanagement und Qualitätssicherung fallen in den Aufgabenbereich des Lieferanten. Dadurch muss sich der Abnehmer beispielsweise nicht um das Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln kümmern.
- Höhere Endkundenzufriedenheit: Aufgrund der beschleunigten Lieferung der Waren von Onlinehändlern an den Endkunden steigt deren Zufriedenheit.
Vorteile für den Lieferanten:
- Langfristige Kundenbindung: Der Abnehmer ist durch das Konsignationslager und den in der Regel langen Vertragslaufzeiten stärker an den Lieferanten gebunden.
- Wettbewerbsvorteil: Die Bereitstellung eines Konsignationslagers kann ein entscheidendes Argument gegenüber Mitbewerbern sein.
- Optimierte Lagerverwaltung und bessere Planbarkeit: Durch direkte Einsicht in die Bestandsentwicklung kann der Lieferant rechtzeitig nachliefern, Engpässe vermeiden und Produktions- und Nachschubprozesse optimieren.
Welche Nachteile hat ein Konsignationslager?
Allerdings kann ein Konsignationslager auch Nachteile mit sich bringen – sowohl für den Kunden, als auch den Lieferanten.
Nachteile für den Abnehmer (Kunde):
- Höhere Warenpreise: Da Lieferanten für die Lagerkosten aufkommen müssen und einen grossen Teil des unternehmerischen Risikos tragen, sind die Preise der Waren für den Abnehmer höher als bei anderen Lagerhaltungsformen.
- Weniger Preisverhandlungsspielraum: Auch Preisnachlässe und Rabatte fallen in der Regel geringer aus.
- Abhängigkeit vom Lieferanten: Es entsteht eine starke Abhängigkeit von einem Lieferanten. Dies kann im Fall von Lieferschwierigkeiten oder Problemen mit der Qualität nachteilig sein.
- Geringere Flexibilität: Lieferanten verlangen üblicherweise Verträge mit langen Laufzeiten, was eine erhebliche Beeinträchtigung der Flexibilität für den Kunden zur Folge hat. Findet dieser einen anderen Lieferanten mit Waren von besserer Qualität und/oder geringen Preisen, kann er nicht einfach seinen Lieferanten wechseln.
- Fehlende Kontrolle über Warenbestand: Der Abnehmer muss sich voll auf die Logistik des Lieferanten verlassen, da er keine eigenen Nachbestellungen tätigen kann.
Nachteile für den Lieferanten:
- Höheres Risiko: Der Lieferant trägt das finanzielle Risiko, dass die Waren nicht oder nicht rechtzeitig abgenommen werden und verfallen und somit unverkauft bleiben und entsorgt werden müssen.
- Hohe Kapitalbindung: Da der Abnehmer erst bei Entnahme zahlt, muss der Lieferant die Waren finanzieren und lagern, was zu einer höheren Kapitalbindung führt – insbesondere dann, wenn er mehrere Konsignationslager hat.
- Verwaltungsaufwand: Der Lieferant muss regelmässig die Bestände im Konsignationslager überwachen und für Nachlieferungen sorgen, was zusätzliche Ressourcen und Aufwand erfordert.
- Risiko der Bestandsverwaltung: Wenn der Abnehmer nicht ausreichend auf den Lagerbestand achtet, kann es zu Engpässen kommen, was gegebenenfalls Vertragsstrafen nach sich zieht.
Was gibt es aus steuerlicher Sicht beim Konsignationslager zu beachten?
Die Nutzung eines Konsignationslagers bringt einige steuerliche Besonderheiten mit sich, die berücksichtigt werden müssen.
1. Mehrwertsteuer
In Bezug auf die Mehrwertsteuer gibt es mehrere Punkte zu beachten:
- Keine Mehrwertsteuer bei Lieferung ins Konsignationslager: Wenn Waren in ein Konsignationslager geliefert werden, fällt zunächst keine Mehrwertsteuer an. Schliesslich findet noch kein Wechsel des Eigentümers statt.
- Verbuchung der Mehrwertsteuer: Der Abnehmer wird zum Zeitpunkt der Entnahme der Ware deren Eigentümer und somit zum Steuerpflichtigen. Die Mehrwertsteuer wird in diesem Moment gemäss dem geltenden Steuersatz auf den Verkaufswert der entnommenen Waren fällig.
- Buchhaltung und Dokumentation: Beide Parteien, also der Lieferant und der Abnehmer, müssen eine präzise Dokumentation führen, um die Entnahmen aus dem Konsignationslager korrekt zu erfassen und die Mehrwertsteuer ordnungsgemäss zu deklarieren.
2. Besonderheit bei grenzüberschreitenden Konsignationslagern
a) Import aus der EU in ein Schweizer Konsignationslager: Da die Schweiz nicht Teil der EU ist, finden die EU-Vereinfachungsregelungen für Konsignationslager hier keine Anwendung. Die Einfuhr der Waren in die Schweiz wird steuerlich als Export aus dem Ursprungsland und als Import in die Schweiz behandelt und es fällt die Einfuhrsteuer an. Diese muss in der Regel vom Abnehmer gezahlt werden, wenn er die Waren aus dem Konsignationslager entnimmt.
Daraus resultiert eine umsatzsteuerliche Registrierungspflicht für ausländische Lieferanten in der Schweiz, wenn sie regelmässig steuerpflichtige Umsätze durch Entnahmen aus ihren Konsignationslagern erzielen. Im Rahmen der Registrierung erhalten Lieferanten eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer und können diese in der Schweiz korrekt berechnen und abführen.
b) Export aus der Schweiz in ein ausländisches Konsignationslager: Sofern entsprechende Zolldokumente vorliegen, wird die Ausfuhr von Waren aus der Schweiz ins Ausland als steuerfreier Export behandelt. Der Konsignator im Zielland muss allerdings gegebenenfalls bei Warenentnahme eine Einfuhrsteuer entrichten.
3. Bilanzierung
Die Regelung, dass die Waren im Konsignationslager bis zu ihrer Entnahme im Besitz des Lieferanten bleiben, hat Einfluss auf die Bilanzierung. So erscheinen die Waren im Konsignationslager in der Regel – je nach Vertrag zwischen Abnehmer und Lieferant – nicht in der Bilanz des Kunden, sondern werden weiterhin bei Lieferanten bilanziert. Dies hat einen positiven Effekt auf die Eigenkapitalquote des Kunden.